Leser fragen ...

Mich erreichen immer mal wieder Zuschriften, in denen Leser nach der Rechtschreibung in den Dialogen meiner Romane fragen. Sie würde nicht immer den Regeln entsprechen.

 

Die meisten dieser Leser fügen aber auch an, sie würden sich schnell daran gewöhnen und die Dialoge würden lebendiger klingen.

 

 

Genau das ist der Grund dafür, dass ich mir Freiheiten bei der Rechtschreibung in den Dialogen und Monologen meiner Protagonisten herausnehme. Unter anderem lasse ich gelegentlich ein Komma aus oder verzichte auf den Apostroph, wie bei „sags“ oder „gibts“.

 

Beispiel: Der Schiefe guckte sie an und wedelte dann mit kleinen Händen in der Luft. "Nein nein nein, das ist falsch, völlig falsch." (Aus: Schwesterherz)

 

 

Beispiel: „Krokus?“ „Hardrock aus der Schweiz“, und lachte. „Ich sags nochmal: Hardrock. Aus der Schweiz.“ (Aus: Schwesterherz)

 

 

Beispiel: Mattheis schluckte und sagte, „Stimmt, unwahrscheinlich. Was wir hier so sehen, da brauchen wir etwas Vernünftiges im Magen. Sonst gibts Probleme beim Kotzen.“ Ohne zu lächeln. (Aus: Schwesterherz)

 

 

Wenn Menschen miteinander sprechen (oder, wie bei Monologen, wenn wir mit uns selbst sprechen), dann sprechen wir eben nicht ‚wie gedruckt‘. Wir machen Sprechpausen, wir wiederholen, wir brechen im Satz ab und sagen etwas anderes, wir lassen ganze Satzteile aus, wir betonen, überlegen und sagen dabei „äh“ oder „hm“, wir schauen unseren Gesprächspartner, der uns gerade etwas erzählt, an und nicken und murmeln unser „mhm“ oder „tja“ und signalisieren damit „Ich höre dir zu“.  All das bringe ich in meine Dialoge hinein, damit sie sich wie gesprochene Sprache lesen.

 

 

Bezüglich der Interjektionen wie „tschüss“, „eijeijei“ usw. und der sogenannten Verzögerungslaute wie „äh“, „hm“ usw. allerdings orientiere ich mich in der Regel  an den englischen Varianten. Der Grund: die Personen in meinen Palmer-Thrillern (und einige Personen auch im ersten Teil meiner Leblanc-Reihe) sprechen Englisch. Die deutschen Formen würden hier einfach nicht passen. Einem, beispielsweise, amerikanischen Minenbesitzer aus New Mexico (siehe Palmer :Exit 259) ein „eijeijei“ in den Mund legen, würde komisch klingen, oder?

 

 

Also „uh“ anstatt „hm“ oder „uh-huh“ anstelle des gemurmelten „mhm“ und „my-oh my“ statt „eijeijei“ usw.

 

 

Beispiel: Er leuchtete auf das Kennzeichen. Der Marquis kam aus ... uh, The Beaver State. Oregon. Sehr ungewöhnlich. (Aus Palmer :Black Notice)

 

 

Beispiel: „Beachte uns einfach nicht mehr, Elijah, wir sind so gut wie nicht mehr hier. Besonders Heiner nicht. Und ich komme nachher mal in dein Büro und wir trinken mal wieder deinen Kaffee zusammen und du erzählst mir das mit den Schlangen. Was meinst du?“ „Uh-huh“, machte Elijah. „Nachher dann.“ (Aus: Schwesterherz)

 

 

Beispiel: „Dann machen Sie eben, was Sie wollen.“ „Baby, natürlich mach ich was ich will. Machen Sie ja auch. Wasser in einen Sechsundachtziger Lafite, my-oh-my.“ (Aus: Palmer :Exit 259)

 

 

 

 

Und „uh-uh“ oder „uh-unh“ anstelle einer gemurmelten Verneinung (inklusive Kopfschütteln) im Deutschen:

 

 

Beispiel: „Café Granada?“ „Keine Ahnung, muss neu sein. Original Andalusische Küche steht über der Tür. Karibik, schätze ich mal.“ „Uh-uh, das ist Grenada“, sagte Woody. (Aus: Palmer :Exit 259)

 

 

Beispiel: Jo schüttelte den Kopf. „Uh-unh, das meine ich nicht“, sagte sie. (Aus: Schwesterherz)

 

 

 

 

Am Ende von Sätzen steht in meinen Dialogen schon mal häufiger ein „huh?“ Dieses „Huh?“ darf natürlich nicht wortgetreu gelesen werden, als würde ein Kind „hu“ sagen. Sondern es ist vielmehr nichts weiter als ein kurzer Laut aus der Kehle (mit geschlossenem Mund), den man im Deutschen als „hm?“ schreiben würde und der in etwa „nicht wahr?“ bedeutet.

 

 

Beispiel: Palmer sah ihm eine Weile zu und kaute Nüsse und sagte, „Nicht viel los heute, huh?“ (Aus Palmer :Shanghai Expats)

 

 

 

Eine Leserin merkte an, dass sie das dauernde „Er sagte – Sie sagte“ störe.  Dazu auch noch eine Erläuterung.

 

Interjektionen und Verzögerungslaute bringen Rhythmus in unser Sprechen und können auch Rhythmus in die geschriebene Form der gesprochenen Sprache bringen - siehe oben. Rhythmus in die direkte Rede zu bringen, lässt sich aber auch anders erreichen, eben durch die Verwendung der sogenannten Inquit-Formel, also „er sagte“, „sie sagte“, „sagte Kristina“ usw.

 

 

Beispiel: „Sie sehen aus wie ein-“

„Dat hatten ma bereits, Leblanc. Verpissen Se sich.“

„Das wäre recht einfach, gleich hier neben Ihnen könnte ich das erledigen.“ Elijah sagte, „Kennen Sie den, Jankowsky? Zwischen Leber und Milz passt immer noch ein Pils?“ Er sagte, „Sicher kennen Sie den. Ist ja Ihr Lebensmotto." (Aus: Schwesterherz)

 

 

Nach dem Satz: „Das wäre recht einfach, gleich hier neben Ihnen könnte ich das erledigen“ würde Elijah beim Sprechen eine kurze Pause machen, weil dann ein neuer Gedanke von ihm kommt (nämlich ein Witz). Diese Sekunde Pause signalisiere ich durch „Elijah sagte“. Das bereits nach den beiden nächsten Fragen folgende „Er sagte“ signalisiert die nächste Pause, die Elijah machen würde. Denn er hat eine Frage gestellt und wartet naturgemäß einen Moment, ob er darauf von seinem Gesprächspartner (Jankowsky) eine Antwort erhält.

 

 

Die Leserin, der Leser kann getrost diese „Elijah sagte“ und „Er sagte“ überlesen (ich tue dies immer), aber trotzdem wird sie, er den Rhythmus im Dialog spüren.

 

 

Wer sich näher dafür interessiert, wie mithilfe der Inquit-Formel Sprachrhythmus in (geschriebene) Dialoge gebracht werden kann, dem empfehle ich die englischen Originalausgaben der Kriminalromane von Elmore Leonard. Der amerikanische Autor hat diese Form perfektioniert wie kaum ein anderer.