PALMER :SHANGHAI EXPATS
Joshua Palmer ist noch ein Junge in Hong Kong,
als er seine Eltern verliert. Jetzt erfährt Palmer, dass der
Chinese Leo Shen ihm damals sein Erbe stahl. Palmer
will es zurück. Shen besitzt einen Club in Shanghai, aber
wo genau, das weiß niemand. Seit Jahren wurde er nicht
gesehen. Leo Shen ist ein Gespenst. In welchem der
zweiundfünfzig Häuser Shens Club ist? Palmer hat keine
Ahnung. Palmer betrachtet die alten Gebäude, einen
Kilometer die Zhongshan Lu hoch, einen Kilometer hinunter.
Du wartest auf mich, Shen? Nun, ich bin da.
Sie sind Expats – Ausländer – und haben nur ein Ziel: Geld verdienen. Viel Geld. Mehr, als sie je ausgeben können.
Und sie haben sich die richtige Stadt ausgesucht. In Shanghai ist alles möglich für den, der etwas zu verkaufen hat.
Josh Palmer hat nichts zu verkaufen. Im Gegenteil. Palmer ist in Shanghai, weil er sich etwas zurückholen will. Etwas, das ihm mehr als drei Jahrzehnte zuvor genommen wurde von einem Mann namens Leo Shen. Doch Shen ist ein Gespenst, niemand weiß, wo er sich aufhält. Und Palmer muss sich beeilen, denn er hat nur zweiundsiebzig Stunden, bevor er die Stadt wieder verlassen muss.
Aber dann sieht er in einer Bar, wie eine attraktive Blonde von zwei Kerlen belästigt wird. Und er begegnet, in derselben Bar, Liz Kruger. Die junge BND-Agentin ist klug und tüchtig und steckt dennoch mit ihren Ermittlungen in einer Sackgasse.
Palmer hilft beiden Frauen und erfährt umgehend, worauf er sich eingelassen hat. Halte dich raus, Laowei, warnt ihn ein tätowierter chinesischer Cowboy, Grinsen im Gesicht und Messer in der Hand.
Aber um Palmer einzuschüchtern braucht es mehr als cooles Gehabe und ein scharfes Messer.
Und wer ihn bestiehlt, sollte wissen, Diebstahl verjährt nicht. Auch nicht nach dreißig Jahren.
Nicht für Josh Palmer.
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Police ID 033495.
Palmer stand immer noch vor dem Schalter mit der Scheibe aus Sicherheitsglas, der Hagere saß immer noch dahinter. Und blätterte kopfschüttelnd durch den
stempellosen Reisepass.
Das Gesicht eingefallen, der Schädel kahlrasiert, an den fleischlosen Armen zuckten Elle und Speiche. Hager eben.
Ausgezehrt.
Ausgetrocknet.
Verwelkt ...
Palmers Gedanken wanderten. Er hatte dreizehn Stunden Flug hinter sich gebracht. Wegen eines Chinesen.
Ich habe gehört, Palmer, du bist auf der Suche nach mir.
Er legte den Daumen an den Hals – neun Schläge in zehn Sekunden. Achtundvierzig pro Minute. Er dachte nach, aber er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal angespannt war oder gar aufgeregt. Zu lange.
Palmer warf einen Blick auf die beiden Uniformierten, die in ihrer Kabine fünf Meter hinter dem Hageren saßen und die Ankommenden musterten. So, wie sie das vor wenigen Minuten auch bei ihm getan hatten. Supervisor stand auf ihren Schildern.
Jetzt beachteten sie ihn nicht mehr.
Der Hagere blätterte weiter und starrte weiter auf leere Seiten. Blaue Adern an den Armen, den Händen, den langen, dünnen Fingern; die Kuppen gelblich verfärbt. Raucherhände. Der Hals nur Sehnen und Haut, der Kopf darauf schwankte wie ein Kran hoch oben auf einem Hochhaus in Pudong. An dem dunklen Uniformhemd mit kurzen Ärmeln, über der linken Brust, sein Anstecker mit der Polizeilichen Dienstnummer. Bedeutete die Nummer, dass es in dieser Stadt 33.495 Polizisten gab? Oder mehr?
Vielleicht. Die Stadt war groß. Vierundzwanzig Millionen Menschen. Da brauchte es viele Polizisten.
Elle und Speiche zuckten ohne Unterlass.
Soweit, kein Stempel im Pass. Nicht ein einziger. Auch kein Einreisevisum für dieses Land. Pudong, der Stadtteil, in dem auch dieser Flughafen lag, dürfte er demnach gar nicht kennen.
Der Hagere sah zu ihm hoch. Der Blick huschte über die Schramme über seinem rechten Auge.
Palmer lächelte.
...